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Im Wald sein – eigentlich kein großes Ding, oder? Vielleicht denkst du – genauso wie wir immer gedacht haben. Ja, in den Wald gehen ist sicher gesund. Frische Luft, Ruhe und Besinnung. Doch mittlerweile ist auch uns klar: Dieses Thema wird unterschätzt. Denn Waldbaden kann für den Körper und Geist viel größere und intensivere Auswirkungen haben als bisher gedacht. Wir erklären dir warum – und vor allem wie genau.
Was ist Waldbaden?
Waldbaden ist der bewusste Aufenthalt im Wald. Dabei geht es nicht um Wandertouren, Survivaltrainings oder ein anderes Freizeitprogramm. Vielmehr ist es an der Zeit, den Wald mit all seinen Sinnen zu erfassen und wirken zu lassen. Insbesondere spielen dabei die ätherischen Öle der Bäume die erste Geige. Denn sie sollen den größten Effekt auf Körper und Geist in uns generieren.
Es wird daher empfohlen, sich wirklich Zeit zu nehmen. Sich immer mal wieder hinzusetzen, tief durchzuatmen und nicht zu schnell zu gehen. Eine gute Faustformel ist es, beim Waldbaden 3 – 4 Stunden in den grünen Wäldern zu verbringen und dabei nicht mehr als 5 km an Strecke zurückzulegen.
Waldbaden: In Japan berühmt geworden
Waldbaden findet seinen Ursprung in Japan, wo es als Shinrin-Yoku bezeichnet wird und eine lange Tradition hat. Dies geht sogar so weit, dass das Waldbaden in Universitäten gelehrt wird, eine höchst anerkannte Therapiemethode darstellt und in der japanischen Medizin und Wissenschaft eine Vielzahl an Studien hervorgebracht hat. In den letzten Jahren schwappten die japanischen Erfolge vermehrt nach Westen und werden auch hierzulande immer populärer.
Warum ist Waldbaden so gesund?
Insbesondere zwei japanische Studien haben bisher die Wirksamkeit von Waldbaden im Detail aufzeigen können.
Studie 1
So hat eine Studie aufgezeigt, dass Waldbaden eine exzellente Wirkung bei psychologischen Problemen haben kann.1https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19568839/ Hier ein paar Ergebnisse der Studie:
- Angstzustände und Depressionen können zurückgehen
- Wut kann gebremst werden
- Stresshormone werden reduziert
Studie 2
Eine andere Studie, ebenfalls aus dem Jahre 2010, hat die körperlichen Effekte von Waldbaden mit 280 Teilnehmern in 24 japanischen Wäldern getestet.2https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2793346/ Auch hier kam es zu Resultaten, die für sich sprechen:
- die Nervenaktivität beruhigt sich
- die parasympathischen Entspannungsaktivitäten nehmen zu
- das Immunsystem wird durch die Erhöhung von Killer-Zellen gestärkt
- der Blutdruck und der Puls scheinen beim Waldbaden signifikant zu sinken
Bei Betrachtung dieser Ergebnisse fällt auf – Waldbaden scheint wirklich eine effektive Methode gegen Stress zu sein. Denn mittlerweile wissen wir, dass Stress eine universale Wurzel vieler Symptome und Krankheiten ist und damit ein Hauptgegner unserer modernen Zeit.
Doch was ist es genau, was den Wald so gesund macht? Der Effekt der Ruhe und frischen Luft auf unser Nervensystem? Wahrscheinlich auch. Doch insbesondere gibt es einen Faktor, dem tatsächlich in den letzten Jahren ein großes gesundheitliches Potenzial zugeschrieben wurde: die Terpene.
Terpene: Wie die Botenstoffe der Bäume uns beeinflussen
Terpene sind Wirkstoffe, die Pflanzen in ihren Blüten und Nadeln zur Regulierung des Wachstums sowie zum Schutz gegen Erreger produzieren. Ganz salopp gesagt könnten wir Terpene mit „Naturdüften aus dem Wald“ zusammenfassen.
Dabei sind diese Stoffe antibakteriell und wirken Pilzen und Insekten entgegen. Mittlerweile wird vermutet, dass die Pflanzen über 100 Arten von verschiedenen Terpenen kommunizieren und dabei eine Strecke bis zu 1000 Metern zurücklegen können.3Bionische Regeneration: Das Altern aufhalten mit den geheimen Strategien der Natur, Ulrich Warnke, 2017
Einatmen ist effektiver als Injektion
Es wird davon ausgegangen, dass auch wir Menschen, diese Stoffe durch die Nase aufnehmen. Unser Riechkolben ist dabei mit dem limbischen System und anderen Gehirnarealen verbunden.
So gibt es ein weiteres Experiment, in dem festgestellt wurde, dass allein das Einatmen von Terpenen einer (Sachalin-) Tanne, eine höhere Konzentration von Terpenen im Gehirn zur Folge hat, als bei einer Injektion des entsprechenden Öls.4https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/ffj.2075
Dies liegt wohl daran, dass die Wahrnehmungsschwelle von Terpenen aus evolutionären Gründen recht gering ist und wir sie daher schnell riechen können.
Die Wirkung der Terpene auf Körper und Geist
Doch wollen wir dich nicht mit zu vielen Details langweilen. Daher im Folgenden eine Übersicht von ebenfalls nur beispielhaften Vorgängen, die auf die Inhalation von Terpenen zurückgehen und bereits in Studien untersucht worden sind:
- Gerüche und Terpene interagieren mit dem Magen-Darm-Trakt und haben einen Einfluss auf die Serotoninproduktion und die Tätigkeit des Darms5https://www.gastrojournal.org/article/S0016-5085(07)00393-9/pdf
- Angenehm riechende Terpene beeinflussen das Wohlbefinden und kognitive Fähigkeiten
- Der Geruch mancher Terpene reduziert die Aktivität des präfrontalen Cortex. Die Gehirnwellen schwingen anschließend im Alpha- bzw. Thetabereich. Diese Gehirnwellen sind damit assoziiert, dass der Stress geringer ist, wir uns mehr im Flow fühlen und mehr Kontakt zu unserem Unterbewusstsein haben6https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5198031/
- Eine erhöhte Ausschüttung von Dopamin, vor allem durch grüne Blattduftstoffe7https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18355650/
5 Tipps für ein perfektes Waldbade-Erlebnis
Damit das Waldbaden wirklich funktioniert und all die aufgezählten Anti-Stress-Effekte wirklich greifen können, muss man das Waldbaden richtig anwenden. Denn auch hier geht es vermutlich viel weniger darum, sich einfach nur zwischen Bäume zu stellen und mit den Gedanken schon bei der Netflix-Serie am Abend zu sein. Sondern darum, den Wald mit allen Sinnen in sich aufzunehmen. Damit dies klappt, haben wir hier ein paar Tipps für dich:
1. Schalte dein Handy aus
Mal davon abgesehen, dass dein Handy wahrscheinlich im Wald ohnehin einen schlechten Empfang hat, ist der Konsum von digitalen Inhalten beim Waldbaden wirklich tabu. Denn es geht beim Waldbaden ja genau darum, auf Empfang zu gehen und still in sich zu werden. Wenn du deine Aufmerksamkeit an etwas im Außen verlagerst, schießen deine Hirnwellen nachgewiesenermaßen gleich wieder in stressigere Sphären und der Aufenthalt im Wald ist vermutlich für die Katz.
2. Lass dir Zeit
Um das Waldbaden wirklich effektiv zu gestalten, solltest du dir Zeit nehmen. Denn nur so kommt dein Nervensystem voll auf seine Kosten und du kannst dich mit jeder Minute mehr und mehr eingrooven. 3 – 5 Stunden sollten es schon sein, damit aus dem Waldbaden ein echtes Baden und nicht nur eine kurze Pflanzendusche wird. Auch ein Aufenthalt über mehrere Tage, z. B. am Wochenende, bietet sich natürlich an.
Wenn du Waldbaden wirklich ernst nehmen möchtest und als echtes Anti-Stress-Programm für dich siehst, empfiehlt sich mindestens einmal in der Woche, den Wald ausgiebig zu besuchen.
3. Atme tief
Zunächst einmal, ist tiefes Atmen immer gut, um dein Nervensystem zu entspannen und herunterzukommen. Doch beim Waldbaden spielt noch ein anderer Grund eine wichtige Rolle: Wie bereits beschrieben, kommunizieren Pflanzen über ihre Duftstoffe. Was für dich Laute sind, sind für die Pflanzen also Düfte. Und da die gesundheitlichen Effekte ja besonders an diesen Terpenen hängen, solltest du so viel davon einatmen wie möglich.
Ein Anhaltspunkt dafür: Atme jeweils 3 – 4 Sekunden ein und 3 – 4 Sekunden aus. Langsam, aber recht kraftvoll.
4. Meditation und Stille
Meditation kann unglaublich heilsame Effekte auf deinen Körper haben. Warum wir diesen Punkt hier noch einmal aufführen? Die Kombination aus Meditation und Wald scheint ideal zu sein und Synergieeffekte zu liefern, die in ihrer Vielzahl noch gar nicht abzuschätzen sind. Du kannst aber davon ausgehen, dass sich der Einschlag beider Methoden, also Meditation und Waldbaden, dabei noch einmal verstärken.
Um das Erlebnis zu genießen, versuche dich während des Waldbadens in Stille zu üben. Wenn du zu zweit oder mit mehreren Personen im Wald sein solltest, wird dir die Baumpolizei nicht gleich bei jedem Wort den Kopf abreißen, allerdings scheint das Waldbad-Erlebnis umso intensiver zu sein, je mehr du bei dir (und nicht im Außen) bist.
5. Waldbaden Ausbildung
Mittlerweile gibt es in Deutschland auch verschiedene Ausbildungen zum Thema Waldbaden. Dabei geht es oft um den theoretischen Teil, sprich die detaillierten Effekte von Waldbaden auf Körper und Geist. Aber natürlich auch um eine praktische Anleitung mitsamt aller Spezial-Tipps. Eine solche Ausbildung, die oft nur wenige Tage dauert, ist sicher für alle Therapeuten, Heilpraktiker, Pädagogen und geneigte Waldliebhaber interessant.
Wie geht Waldbaden? – Eine Anleitung
Im Folgenden findest du eine Anleitung, wie Waldbaden konkret aussehen kann. Ganz kurz zum Equipment – auf diese vier Aspekte solltest du achten:
- Gute, feste Schuhe
- Eher etwas wärmer anziehen als zu kalt
- 1 Flasche Wasser oder Tee
- Handy aus!
Waldbaden: Anleitung
- Nimm dir einen Tag Zeit
Vor allem, wenn du unerwartet länger bleiben möchtest, ist dies ein gutes Zeitfenster um weniger inneren Stress zu haben. Dies bedeutet nicht, dass du den ganzen Tag im Wald bleiben musst.
- Mach dir einen Plan
Dazu gehört die ungefähre Route, die du begehen möchtest. Plane 4 Stunden effektive „Waldzeit“ ein und ca. 4 – 5 km, die du gehen wirst. Wenn du körperlich angeschlagen bist, kann dies natürlich auch weniger sein.
- Losgehen
Laufe langsam los. Wenn du einen Ort findest, den du magst, dann lass dich dort nieder. Meditiere oder sitze einfach. Wenn du durstig bist, dann trinke etwas.
- Laufen und rasten
Dieses Spiel vollziehst du nun bis zum Ende deines Aufenthalts. Immer mal wieder langsam schlendern, innehalten und so intensiv und tief wie möglich durchatmen.
- Wähle instinktiv
Dein Bauchgefühl weiß am besten, welchen Weg du gehen möchtest. Wähle deine Entscheidungen daher instinktiv aus und lass dich leiten.
Fazit: Waldbaden ist die Technik der Natur
Waldbaden ist das Baden in der Natur. Eine unmittelbare Erfahrung ohne Schnickschnack, Technik und hektisch-stressige Großstadtgefühlen. Mit den Jahren ergeben sich nun immer mehr Studien, welche das große gesundheitliche Potenzial der Ruhe, doch insbesondere der Terpene der Bäume für den menschlichen Körper aufzeigen.
Das Fazit kann daher nur so lauten: Der Wald ist pure, gesunde Natur, die jedem Menschen sehr guttut. Und die richtige Technik des Waldbadens ist dabei der Schlüssel.
Vor allem, wenn du übermäßig gestresst bist und die Nase voll von Straßen, U-Bahnen und WLAN bestückten und Menschen-überfüllten Einkaufszentren hast, dann kann Waldbaden die entspannende Ausfahrt für dich sein, um wieder (mehr) in geistige und körperliche Balance zu kommen.
Einzelnachweise
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