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Normalerweise schreiben wir, um einer anderen Person eine Nachricht zu übermitteln. Doch beim meditativen Schreiben sind wir selbst der Adressat. Wir schreiben, damit wir zur Ruhe kommen und uns daran erinnern, was wirklich wichtig ist.
Es gibt eine lange Tradition, das Schreiben zur Versenkung zu nutzen und so wirst du hier drei Schreib-Methoden kennenlernen, welche dich dabei unterstützen, mehr Leichtigkeit und Sinnhaftigkeit in dein Leben zu bringen.
Entspannung auf Knopfdruck geht nicht
Kennst du das auch? Du kommst nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause und willst nur noch alle Viere von dir strecken. Doch irgendwie kannst du dich nicht entspannen. Es gelingt dir nicht den Hebel umzulegen und in den Freizeitmodus zu wechseln. Wie kannst du es dennoch schaffen, den Stress für eine Weile links liegen zu lassen?
Meditatives Schreiben ist eine Technik, die dir hilft, schrittweise vom Leistungs-Modus in die Entspannung zu gelangen. Der Vorteil ist, dass du nicht im Hau-Ruck-Verfahren zum Stillstand kommst, sondern durch das Schreiben weiterhin beschäftigt bleibst. Auf eine gute Art, denn das meditative Schreiben unterstützt dich dabei, dich zu sammeln und deine Bedürfnisse wahrzunehmen.
Meditatives Schreiben hilft dir
- zur Ruhe zu kommen und zu regenerieren
- eine innere Leichtigkeit zu entwickeln
- loszulassen
- beim Annehmen von Gedanken und Gefühlen
- beim Erkennen von deinen Bedürfnissen
Schreiben verschafft uns Zugang zu unserem inneren Raum
Als moderne Menschen schreiben wir hauptsächlich beruflich, etwa um Vereinbarungen zu dokumentieren. Die Tradition nicht für andere, sondern für uns selbst zu schreiben, um so einen Zugang zu unserem inneren Raum zu bekommen, ist ziemlich in Vergessenheit geraten. Das ist schade, denn Sprache ist mehr als ein Denk-Werkzeug. Sie hilft uns auch, uns mit unserer emotionalen und spirituellen Seite zu verbinden.
Meditatives Schreiben hat eine lange Tradition
In der Antike und im Mittelalter waren die meisten Menschen Analphabeten. Die Fertigkeit lesen und schreiben zu können, blieb den Geistlichen und Gelehrten vorbehalten. Man traf sie vor allem in Klöstern, denn das Schreiben diente damals hauptsächlich der Verbreitung der Heiligen Schrift. Da es noch keinen Buchdruck gab, wurde die Bibel durch das Abschreiben per Hand kopiert.
Der Schreibvorgang selbst besaß neben der praktischen aber auch noch eine kontemplative Funktion: Durch die sorgfältige Bibelabschrift entfaltete sich die Kraft der Wörter, sodass der Schreibprozess zur Andacht wurde. Diesen Effekt macht sich die erste Methode des meditativen Schreibens zunutze.
3 Methoden des meditativen Schreibens
Die nachfolgenden drei Methoden sind von Grund auf verschieden. Probiere sie am besten alle bei Gelegenheit und in aller Ruhe aus und schaue, welche dir besonders gefällt.
1. Methode: Texte abschreiben, um Kraft zu schöpfen
Eine Technik des meditativen Schreibens besteht darin, bedeutende Wörter und Sätze abzuschreiben. Das können Bibeltexte oder buddhistische Mantras sein, es ist aber auch möglich, weltliche Texte zu verwenden, zum Beispiel ein Zitat oder eine Passage aus deinem Lieblingsbuch.
Das Abschreiben ist ein gutes Achtsamkeitstraining, denn nur wenn du dich nicht ablenken lässt, sondern im Hier und Jetzt verweilst, wirst du etwas Harmonisches schaffen können.
Wer ein Händchen für Illustration hat, sollte diese Methode unbedingt ausprobieren. Durch das Gestalten der Buchstaben (etwa durch Schwung, Farbe und Größe) kannst du den Inhalt der Worte wie bei einer Kalligrafie auf dich wirken lassen.
Tipp: Alles kann, nichts muss
Versuche mit verschiedenen Wörtern, Zitaten und Texten und unterschiedlichen künstlerischen Ausdrucksformen wie Collagen, Handlettering und Sketch-Notes zu experimentieren. Das Wichtige ist, dass du deine Schlüsselbegriffe mit Leben füllst, sodass sie dich an das erinnern, was dir Kraft gibt.
2. Methode: Automatisches Schreiben und Morgenseiten
Wer dekoratives Gestalten nicht so mag, für den funktioniert die nächste Technik, das automatische Schreiben, vielleicht besser. Auch diese Methode geht auf eine lange Tradition zurück und trägt verschiedene Namen. Der Begriff écriture automatique kommt ursprünglich aus dem Französischen.1https://literaturhandbuch.de/textsorte-ecriture-automatique/ Vor ca. 100 Jahren haben französische Psychologen diese Methode entwickelt, um der Psyche auf die Spur zu kommen.
Das automatische Schreiben ist somit eine Strategie, dem inneren Zensor ein Schnippchen zu schlagen und sich selbst besser kennenzulernen.
Heutzutage zählt die US-Amerikanerin Julia Cameron mit ihren Morgenseiten zu einer der bekanntesten Vertreterinnen dieser Richtung.2Cameron, Julia: „Der Weg des Künstlers. Ein spiritueller Pfad zur Aktivierung unserer Kreativität.“ München, 2009 Der Grundgedanke besteht darin, jeden Morgen, wie beim Tagebuch, ohne Nachdenken drei Seiten Text aufzuschreiben. Am einfachsten gelingt das, wenn du schnell schreibst und dabei den Stift nicht absetzt. Durch das zügige Tempo kannst du nämlich den inneren Kritiker effektiv ausschalten.
Selbsterforschung: Was sind meine Themen?
Ein Thema wird bei den Morgenseiten (die übrigens genauso gut als Abendseiten funktionieren) ganz bewusst nicht vorgegeben. Alles, was dich im Moment beschäftigt, wird automatisch an die Oberfläche kommen.
Indem du deine Gedanken und Gefühle benennst, gewinnst du Abstand zu ihnen. Sie stehen auf dem Papier und spuken nicht mehr in deinem Gehirn herum. Du hast dem, was dich umtreibt, eine Form gegeben, es in Worte gefasst. Dadurch kommst du zu dir und kannst dich auch anderen besser mitteilen.
Tipp: Schreibrituale helfen dir, dranzubleiben
Es ist auf jeden Fall ratsamer, in kurzen regelmäßigen Abständen zu schreiben als nur dann und wann eine Mammut-Sitzung abzuhalten. Am besten kreierst du dir ein kleines, tägliches Schreibritual, indem du immer zur selben Zeit, am selben Ort schreibst.
Vielleicht setzt du dich jeden Morgen (oder Abend) um sieben Uhr auf deinen Lieblingssessel, zündest ein Teelicht an, nimmst drei tiefe Atemzüge und legst los. Wenn du fertig bist, schließt du die Augen, nimmst drei weitere tiefe Atemzüge, legst deine Schreibutensilien zur Seite und bläst dann das Licht achtsam wieder aus.
Dies lässt sich auch wunderbar mit deiner Morgenroutine oder Abendroutine kombinieren.
3. Methode: Fantasievolles Schreiben
Während das automatische Schreiben ein wenig dem Journaling ähnelt, geht es bei der nächsten Methode um das fantasievolle Umgestalten von persönlichen Ereignissen.
Das kann zum Beispiel mit Mitteln des kreativen Schreibens passieren. Du schreibst etwa das Ende von etwas, das dir passiert ist, so um, dass aus einem traurigen Schluss ein Happy End wird. Eine Möglichkeit ist es, dabei so maßlos zu übertreiben, bis dich deine eigene Geschichte zum Lachen bringt.
Ein anderer Trick besteht in einem Perspektivwechsel. Und wie wäre es mit erfundenen Figuren? Vielleicht sogar einem Zauberer? Deiner Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Du wirst schnell merken, wie viel Kraft dir das kreative Umgestalten gibt.
Schreiben ist gesund
Im Prinzip ist es nicht weiter wichtig, welche Schreib-Methode du wählst. Hauptsache, du tust es! Es ist ein guter Weg, um den Alltag emotional zu verarbeiten und frische Energien zu tanken.3Heimes, Silke: „Ich schreibe mich gesund. Mit dem 12-Wochen-Programm zu Gesundheit und Ausgeglichenheit.“ Göttingen, 2020
Meditatives Schreiben unterstützt deine Gesundheit, löst innere Verspannungen und stärkt deine Widerstandsfähigkeit. Du kannst dich besser entspannen und kommst zur Ruhe. Das senkt den Blutdruck, stärkt das Immunsystem und unterstützt ein gutes Schlafverhalten.
Fazit: Schreiben befreit
In diesem Artikel hast du drei wichtige Techniken des meditativen Schreibens kennengelernt:
- Das Abschreiben von Texten
- Das automatische Schreiben
- Das fantasievolle Schreiben
Meditatives Schreiben ist nicht dogmatisch. Es gibt kein richtig und falsch. Egal, wie du es angehst, das Schreiben unterstützt dich dabei, dein Leben mit offenen Augen und klarem Verstand zu genießen. Vielleicht kommst du auf deine Kosten, indem du deine persönlichen Kraft-Wörter aufschreibst und künstlerisch gestaltest.
Möglicherweise sind aber auch die Morgenseiten die Methode deiner Wahl, oder du verarbeitest das Erlebte in fantasievollen Kurzgeschichten, welche du aus einer ungewöhnlichen Perspektive schreibst. Eventuell erfindest du auch deine individuelle Mischung verschiedener Techniken oder verwendest je nach Laune täglich eine andere Herangehensweise. Habe Spaß und probiere aus, was dir guttut!
Einzelnachweise
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