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„Low Carb ist ungesund, das hab ich mal gelesen“, sagte der junge Mann mit dem Stirnband. „Vegan ist viel gesünder“ ergänzte er und biss in eine weitere Pommes.
Mit Blick auf meinen Gurken-Eiersalat nahm er noch einen großen Schluck glutenfreies Bier, um das Salz seiner frittierten Imbiss-Mahlzeit herunterzuspülen. Was folgte, war eine kleine Predigt über die Gefahren tierischer Eiweiße und Fette: „Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gesättigte Fette, Bluthochdruck, Fettleber…“
Leicht irritiert ließ ich mir mein Mittagessen nicht verderben, fragte mich aber insgeheim, ob er das ernst meinte. Und ob nicht viele Menschen so dachten wie er.
Das Problem mit dem Schwarz-Weiß-Denken
Der Mensch denkt gerne in Schwarz und Weiß, um sich das Leben so einfach wie möglich zu machen. Wir sind mit diesem biologischen Programm von Natur aus ausgestattet. Und das ist auch gut so. So wissen wir, ob wir über die Ampel gehen sollen oder nicht. Oder ob wir die kleine Raubkatze vor uns streicheln können oder lieber nicht.
Doch dieses Ja/Nein-Denken ist gleichzeitig eine der größten Gefahren überhaupt für uns. Denn es löst nicht die komplexen Themen unserer Zeit. Ob nun politisch oder in der Ernährung.
Vielleicht hast du auch schon mal die Erfahrung gemacht: Die Nahrung, die dir besonders gut tut, tut anderen weniger gut. Und umgekehrt. Daraus lassen sich zwei Dinge ableiten.
- Eine bestimmte Ernährungsform wie „glutenfrei“, „Low Carb“ oder „ketogen“ kann so facettenreich sein, dass sie uns auf der einen Seite enorm gut tun kann, auf der anderen Seite aber auch schadet, sofern man die Lebensmittel, die theoretisch in die Kategorie passen, nicht weiter differenziert.
Das heißt im Klartext: Radieschen sind vegan. Cola und Vodka aber auch, ebenso Zucker und Frittierfett. - Darüber hinaus sollte sich die Ernährung nach den körperlichen Anforderungen richten. Ein Beispiel: Sportler und körperlich sehr aktive Menschen benötigen viel „schnelle Energie“, um leistungsfähig zu bleiben. Für diesen Zweck sind gesunde Kohlenhydrate besonders geeignet.
Hingegen bringt eine von Kohlenhydraten dominierte Kost für den Durchschnittsmenschen hierzulande, der täglich 22 Stunden sitzt oder liegt, oftmals nicht unbedingt die besten gesundheitlichen Voraussetzungen mit sich. Mehr dazu im Artikel „Machen Kohlenhydrate dick? Die bittere Wahrheit„.
Daran sehen wir: Ernährung ist komplex. Und vielleicht für den menschlichen Geist niemals voll umfänglich greifbar. Und vor allem ist sie eines auch: etwas individuelles.
Wie unser Hirn unsere Überzeugungen sabotiert
Unser Gehirn weiß genau wie es denken muss, damit wir uns gut fühlen. Kognitive Dissonanz. Ein Phänomen, das jeder von uns kennt.
Beispiel VEGAN: Die Aussage „ich ernähre mich nur noch vegan“ klingt für die meisten Menschen erstmal total gesund: Salat ohne Ende, ein paar Nüsse und etwas Obst runden das Ganze ab.
Wenn man sich dann beim Hipster-Café nebenan den veganen Snickers-Kuchen mit Vollrohrzucker und Cashew-Dattel-Boden gönnt, geht das im Kopf nicht selten als genauso gesund durch. Ist ja vegan.
Keine Frage, wenn man sich ab und an mal solche Leckereien gönnt, ist das auf jeden Fall immer noch besser als abgepackte Süßigkeiten aus dem Supermarkt.
Doch wenn das Ganze ab einem gewissen Punkt Überhand nimmt, kann eben nicht mehr von gesund die Rede sein – auch wenn der Speiseplan durch und durch vegan ist.
Und trotzdem werden viele Menschen der Meinung sein, dass sie sich gesund ernähren, wenn sie sich vegan ernähren. Auch wenn der Speiseplan aus Pommes, veganer Pizza und Bier besteht. Ist ja vegan.
Kognitive Dissonanz
Und genau das ist kognitive Dissonanz: Da wir Zucker und Fett ungern aufgeben, ist es leichter, den Widerspruch durch das Argument „ist doch vegan“ kleinzureden oder sogar aufzuwerten, als sich einzugestehen, dass man einfach wenig Disziplin hat und die pflanzenbasierte Rohkost-Ernährung doch nicht so einfach umsetzbar ist wie gedacht.
Wir eichen unser gefühltes Logik-Thermostat auf Etiketten. Vegan? Gesund! Brot? Nicht gesund. Was wir dabei vergessen: Nur weil Teilaspekte zutreffen, ist dadurch noch lange nicht die ganze Theorie zutreffend.
Das bedeutet, während Schwarz-Weiß-Denken im Leben seinen wichtigen Platz hat (z.B. „Bei Rot halte ich, bei Grün fahre ich“), kann es in Sachen Ernährung und Gesundheit viel zu einfache Schlüsse zulassen. Das liegt vielleicht auch daran, dass die meisten Menschen zwar gesünder leben wollen, aber so wenig Aufwand wie möglich betreiben und sich mit einfachen Schwarz-Weiß-Aussagen erst einmal aufgeklärt fühlen.
Schubladen offen lassen: Dass Low Carb ungesund ist, kann man nicht pauschal sagen.
Das Problem ist, dass sich Ernährung und Gesundheit nicht auf ein paar Regeln vereinfachen lassen. Es gibt ein paar Prinzipien, nach denen unser menschlicher Körper funktioniert, aber diese Prinzipien lassen sich nicht so einfach in Schubladen stecken wie Low Carb, vegan oder clean.
Warum? Weil auch diese Schubladen menschengemachte Konzepte sind, die zwar in mehreren Erfahrungen anscheinend gut funktioniert haben, dennoch natürlich nicht auf jeden individuellen Menschen übertragbar sind.
Doch Konzepte haben immer einen Platz in der Gesellschaft und werden eifrig befolgt. Konzepte sind Erfahrungsanleitungen für das Leben, welche uns Zeit sparen. Konzepte geben uns Halt und Orientierung. Auch wenn sie nicht die Lösung sein können.
Die Herausforderung besteht also darin, dass wir beide Dinge verbinden – ein eigenes Grundgerüst an Konzepten und die Bereitschaft, uns selbst zu hinterfragen, intuitiv zu verändern und Ernährung als individuellen Lernprozess zu begreifen. Oder anders gesagt: Schubladen haben, diese aber offen lassen für Veränderungen.
Ist Low Carb ungesund?
Die Grundidee hinter Low Carb ist, stark verarbeitete, kohlenhydratreiche Nahrungsmittel zu meiden und lieber auf gesunde Fette sowie Eiweiße zu setzen. Dabei wird ganztägig ein stabiler Insulinspiegel erreicht, die Fettverbrennung verbessert, Abnehmen erleichtert und mehr. Theoretisch.
Es heißt nicht automatisch, dass es auch gesund ist. Man kann Low Carb also gesund und ungesund „machen“. Durch die richtige oder falsche Auswahl an Lebensmitteln.
Beispiele gefällig?
- Eine Fleischwurst ist Low Carb
- Cola Light ist Low Carb
- Frittierte Käsesticks sind Low Carb
Kurzum: Low Carb ist schön und gut, aber es liegt an dir, die richtige Auswahl aus diesem ganzen Pool an Low Carb-Lebensmitteln zu treffen.
Deine Wahl entscheidet schlussendlich, ob Low Carb ungesund oder gesund für dich ist.
Es liegt aber nicht nur an den Lebensmitteln selbst. Denn in der Ernährung spielt nicht nur die Nahrung eine Rolle, sondern auch das System, in dem die Nahrung verwertet wird. Im Klartext: der Mensch, der sie isst.
Greifen wir unser Beispiel aus dem oberen Teil dieses Artikels ruhig noch einmal auf. Menschen, die den ganzen lieben Tag ruhig auf einem Stuhl sitzen, haben sicherlich weniger Bedarf an Kohlenhydraten.
Die Sache mit den Naturvölkern
Auf der anderen Seite kennen wir alle Berichte von Naturvölkern und sehr gesunden „Blue Zones“, die reichlich Kohlenhydrate am Tag zu sich nehmen. Und wir wissen auch, diesen Völkern, wird besonders viel Beachtung geschenkt, da sie gerade sehr lange leben.
Was ist hier anders? Nun, Naturvölker sind dafür bekannt, am Tag große Strecken zurück zu legen und überdurchschnittlich viel körperliche Arbeit zu leisten. Die Vermutung, dass bei ihnen ein größerer Bedarf an Kohlenhydraten vorhanden ist und dies sich keinesfalls negativ auf das körperliche Wohlbefinden auswirkt, liegt nahe. Sie arbeiten und verbrennen mehr, also brauchen sie auch mehr Brennstoff.
Die Frage, ob Low Carb nun gesund oder ungesund ist, sollte man also immer individuell beantworten: Anhand der Auswahl der Lebensmittel sowie den körperlichen Anforderungen.
Vegan macht krank?!
Das vegane Thema ist ein heikles. Denn oft liegt die Absicht, vegan zu werden, nicht nur in gesundheitlichen Aspekten, sondern ebenso in ethischen begründet. Gründe die sehr gut nachvollziehbar sind.
Interessant wird die Thematik vor allem dann, wenn wir uns anschauen wie breit das große Thema Veganismus im Hinblick der Lebensmittelauswahl ausgelegt werden kann.
Blumenkohl und Süßkartoffeln gelten grundsätzlich als sehr gesund und die meisten Menschen haben mit der Verdauung dieser zweier Lebensmittel keine Probleme. Sie sind ein gutes Beispiel für gesunde, vegane Ernährung.
Transfette in frittierten Pommes und dazu ein Glas Wein mit dem Zellgift Ethanol gelten grundsätzlich als nicht sehr gesund. Und doch ist auch das ein Beispiel veganer Nahrungskultur.
Hier wird das Problem wieder sichtbar: Wenn wir uns für eine bestimmte Ernährungsform entscheiden, heißt das noch lange nicht, dass sie uns vor ungesunder Ernährung bewahrt.
Ein weiteres gutes Beispiel aus der Kategorie „vegan“: Viele vegane Ersatzprodukte, die man mittlerweile in so ziemlich allen Supermärkten Deutschlands findet, werden mit Unmengen an Sonnenblumenöl oder anderen Pflanzenölen hergestellt. Und pflanzliches Öl gilt schon seit langem als entzündungsfördernd, da es ein höchst ungünstiges Profil an Omega-6-Fettsäuren enthält.
Macht vegan denn jetzt krank?
Zurück zur Ausgangsfrage. Vielleicht sollte man sich erst einmal fragen, ob dem Menschen etwas fehlt, wenn er sich dauerhaft vegan ernährt?
Nun, nach aktuellem Stand kann das Vitamin B12 in guter bioverfügbarer Form und entscheidenden Dosen nicht über die übliche vegane Kost aufgenommen werden.1Vegan Diet, Subnormal Vitamin B-12 Status and Cardiovascular Health.2Woher bekommen Veganer Protein und Vitamin B12? Das ist auch so ziemlich der einzige Mikronährstoff, der bei einer rein pflanzlichen Ernährung auf der Strecke bleibt, solange man sich ansonsten gesund und ausgewogen ernährt.
Anzeichen von B12-Mangel sind Konzentrationsschwäche, Müdigkeit und depressive Verstimmungen.3Vitamin B12 Deficiency (Cobalamin) Wir brauchen dieses Vitamin also dringend, damit es uns gut geht.
Heißt das gleichzeitig, die vegane Ernährungsform ist schlecht? Natürlich ganz und gar nicht. In Anbetracht ethischer und gesundheitlicher Abwägungen kann sie sicherlich gut und auch gesund sein.
Problematisch wird es nur dann, wenn sie zum Dogma ohne Konsequenzen wird: Wenn wir zum Beispiel nicht darauf achten, Mängel an Mikronährstoffen wie B12 zusätzlich mit Nahrungsergänzungsmitteln auszugleichen.
Ein Argument, das viele Veganer berechtigterweise an dieser Stelle äußern würden, ist, dass Menschen, die „alles“ essen, sich oftmals viel weniger Gedanken um ihre Ernährung machen, als Veganer. Dadurch können natürlich auch sie erhebliche Nährstoffmängel entwickeln.
Das Fazit kann daher auch hier nur eines sein: Es kommt immer drauf an.
Ernährungsfreiheit – ein holistischer Ausweg aus dem Dogma-Dschungel
Wir plädieren für Differenzierung. Denn die richtige Ernährung ist aus unserer Sicht immer etwas individuelles. Unsere Nachricht ist dabei klar: Finde deinen eigenen Weg. (Natürlich unterstützen wir dich dabei gerne.)
Dieser Weg speist sich buchstäblich aus mehreren Faktoren. Aus deinen Erfahrungen, wie du welche Nahrung verträgst. Aus deiner Ethik und deinen (wissenschaftlichen) Überzeugungen. Und aus deiner Intuition. Ja, Low Carb kann ungesund sein. Aber auch das Gegenteil. Ja, vegan kann dich krank machen. Oder eben auch nicht.
Denn am Ende soll Ernährung nicht zwanghaft nach Schema X durchgeführt werden, weil es so und nicht anders im Buche steht.
Ernährung darf auch aus einer Perspektive von Neugier, Genuss und manchmal sogar Fehlerkultur erschlossen werden.
Und diese Position darf sich ändern. So wie du dich änderst. So wie dein System sich ändert. Und so wie deine Bedürfnisse sich ändern.
An manchen Tagen ist es kälter oder wärmer. Es ist mehr Bewegung drin oder weniger. Dein Körper hat mit einem mal mehr Bedarf an einem bestimmten Lebensmittel oder eben weniger.
So wie du dich veränderst, verändern sich auch deine Bedürfnisse. Es ist also unsere Aufgaben, unsere Ernährung daran anzupassen, anstatt dogmatisch mit innerem Widerstand stehen zu bleiben, nur um in Schema X zu passen.
Die 3 Ernährungsgrundsätze – ein Konzept für mehr Freiheit.
Doch wir wären nicht Primal State, wenn wir dir am Ende nicht doch noch etwas Konkretes auf den Weg geben würden. Nach unserer Überzeugung gibt es tatsächlich „Regeln“, die fast jedem Menschen gut tun. Sie sind garantiert frei von Dogmen, leicht zu verstehen und bilden den würdigen Abschluss unseres Plädoyers.
Iss nur bei Hunger
Das Wachstums-und Reparatur-Hormon HGH wird nur bei ordentlich Hunger aktiviert. Stoffwechselprozesse und Nahrungsverwertungen können viel besser ablaufen, wenn du nur bei echtem Nahrungsbedarf isst. Wir empfehlen an dieser Stelle gern intermittierendes Fasten.
Natürliche Nahrung statt Industrieprodukte
Fast jede Statistik und Studie der Welt zeigt, naturbelassene Nahrung führt zu mehr körperlichem Wohlgefühl und weniger Krankheiten. Transfette, die eigentlich gar keine echten Fette sind, raffinierter Zucker oder allergiefördernde Zusatzstoffe sind in Mengen nicht gesund für den Menschen. Iss also immer so natürlich wie möglich. Und achte auf viel gutes Protein (ob vegan oder nicht) und gesunde Fette.
Achte auf das „Wie“
Die Stimmen (und Studienlandschaft) werden immer lauter. Einige davon sprechen sogar davon, dass nicht nur entscheidend ist, WAS du isst sondern auch WIE du isst. Und das macht Sinn.
Denn unsere Biologie ist so veranlagt, dass wir bei Stress weniger Energiekapazitäten für Nahrungsverwertung haben wie in einem entspannten Zustand.
Heißt konkret: Probiere es mal ohne Fernseher und Bildschirme. Führe keine stressigen Diskussionen beim Essen. Kaue langsam. Und vor allem – auch wenn es etwas pathetisch klingen mag – iss und koche mit Liebe.
Gesund oder ungesund? Lebensmittel auf dem Prüfstand
Ist Fett eigentlich gesund? Und wie sieht es mit Eiern oder Milch aus? Auch Nachtschattengewächse sowie Getreide bzw. Gluten werden manchmal als schlecht verträglich bezeichnet, was ist dran? Den Fragen gehen wir in gesonderten Artikeln auf den Grund, zu denen du mit einem Klick auf die jeweiligen Begriffe kommst.
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