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Wann immer wir an Verspannungen leiden, denken wir, dass die Muskeln der Übeltäter sind. Doch in Wirklichkeit sind es sehr häufig die Faszien. In diesem Artikel erklären wir dir, was dahintersteckt und wie du ein praktisches Faszientraining in deinen (Arbeits-)Alltag integrieren kannst.
Was sind Fazien?
Der Begriff „Faszie“ leitet sich aus dem Lateinischen ab und bedeutet so viel wie „Band“ oder „Bündel“. Faszien sind feine und dennoch zähe Weichteil-Komponenten des Bindegewebes. Sie durchlaufen den ganzen Körper, wodurch sie allen Strukturen in gewisser Weise ihre Form geben, sie stützen und miteinander verbinden. Sie überspannen Muskeln, Organe, Knochen, Nerven und Gelenke wie eine dünne Haut.
Bevor wir zum Faszientraining kommen, werfen wir zunächst einen Blick auf die unterschiedlichen Arten.
Man unterscheidet zwischen drei Arten von Faszien
Je nach Vorkommen und Funktion wird das Fasziengewebe untereinander differenziert:
Oberflächliche Faszien
Sie befinden sich insbesondere unter der Haut, wo sie als eine Art Stoßdämpfer dienen. Dieses Fasziengewebe durchspannt den gesamten Körper und sorgt dafür, dass alle Organe an ihrem Platz bleiben.
Tiefe Faszien
Diese Art von Faszien umschließt vor allem die Muskulatur, aber auch Knochen, Gelenke, Sehnen, Bänder und Kapseln. Die Besonderheit ist, dass diese Faszien mit Nervenenden versehen sind, welche beispielsweise einen Schmerzreiz an das Gehirn weiterleiten können.
Viszerale Faszien
Die dritte Art der Faszien spannt sich um die Organe im Bauchraum und gibt ihnen Halt und Struktur.
Warum haben Faszien eine so große Bedeutung?
Faszien ermöglichen, dass all deine Bewegungsabläufe geschmeidig sind. Zusätzlich können durch sie unsere Organe leicht verschoben werden, falls bestimmte Bewegungen oder eine Sondersituation (z.B. Schwangerschaft) dies notwendig macht.
Die Faszien als Immununterstüzer
Was vielleicht noch überraschender ist: Faszien beinhalten sogar Zellen des Immunsystems – unter anderem Makrophagen.1https://core.ac.uk/download/pdf/55329113.pdf Allen voran sorgen Makrophagen dafür, dass ungewollte Mikroorganismen wie Bakterien und Viren beiseite geschafft werden.
Darüber hinaus sind Faszien auch an einem funktionierenden Lymphfluss beteiligt und stärken auf diese Weise indirekt das Immunsystem.2https://core.ac.uk/download/pdf/55329113.pdf
Was stört die Faszien?
Wie jedes lebende Gebilde im Körper können selbstverständlich auch die Faszien gestört und beeinträchtigt werden. Oft wird davon gesprochen, dass sich die Faszien „verkleben“. Einen eindeutigen wissenschaftlichen Nachweis einer buchstäblichen Verklebung gibt es aber bis heute nicht.
Welches Szenario aber wahrscheinlich scheint: Die Faszien können analog zu einer Tierstudie auch beim Menschen in ihrem Dehnungspotenzial eingeschränkt sein. Dann sind sie nicht mehr in der Lage, ihrer normalen Funktion uneingeschränkt nachzugehen. Wenn wir also im weiteren Verlauf dieses Artikels von „Verklebungen“ sprechen, bitten wir dich, diesen Begriff in genau diesen Kontext einzuordnen.3https://www.researchgate.net/publication/318787177_Mussen_wir_unsere_Faszien_trainieren_Eine_wissenschaftlich_kritische_Auseinandersetzung_mit_dem_Thema_Faszientraining
Es existieren sogar Argumente, dass es eine tatsächliche Verklebung doch gibt. Und diese scheinen gar nicht so unplausibel zu sein. Denn wie bereits beschrieben, durchziehen Lymphbahnen unsere Faszien. In dieser Lymphe ist der Stoff Fibrinogen enthalten. Dies ist ein Blutgerinnungsfaktor, der normalerweise bei der Umwandlung zum Stoff Fibrin zum Schließen von Wunden fungiert.
Durch verkürzte, angespannte Faszien sollen sich nun diese Lymphbahnen verengen. Dadurch – so die geltende Theorie – soll der Stoff Fibrin sein „Klebewerk“ innerhalb der Faszien veranstalten. Ob das tatsächlich so ist, weiß man bis heute allerdings noch nicht genau.
Natürlich kann sich auch ein Muskel verspannen. Doch Experten gehen immer häufiger davon aus, dass es oft die Faszien sind, die ursächlich für Verspannungen, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verantwortlich sind. 4https://www.blackroll.com/de/expertise/experten/experte-dr-robert-schleip-1
Verspannte und „verklebte“ Faszien können entstehen durch:
- Bewegungsmangel
- eine dauerhafte, unnatürliche Sitzhaltung
- körperliche Überanstrengung/Übertraining
- sich wiederholende stressige Gedanken und depressive Verstimmungen5https://www.researchgate.net/publication/337825401_The_Link_Between_Emotional_and_Psychological_Distress_with_Myofascial_Pain_Syndrome
Was ist Faszientraining?
Eine Studie aus dem Jahre 2015 grätscht daher in die gleiche Empfehlungs-Kerbe wie wir: Faszientraining. Denn laut dieser Studie kann Faszientraining die Beschwerden wieder auflösen und zu mehr Mobilität, weniger Schmerzen und vor allem zu mehr Elastizität führen. 6https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26592233/
Sicherlich fragst du dich nun, was ist eigentlich Faszientraining? Nun dieser Begriff beschreibt ein Übungs-Sammelsurium aus Dehnübungen, Akupressur und (Selbst-)Massage-Techniken, die direkt auf die Faszien wirken. Dabei werden durch die unterschiedlichen Übungen Spannungsreize auf die Faszien ausgeübt – mit der Absicht, dass die Faszien sich genau dadurch wieder öffnen und funktionsfähiger werden.
Wie oft sollte man Faszientraining machen?
Um die bestmögliche Wirkung zu erzielen, empfehlen Experten, die Faszien nach einem Aufwärmen bzw. einer Bewegungseinheit zu trainieren. Dies kann also ein leichtes Aufwärmtraining à la „Sportunterricht 8. Klasse“ sein, als auch ein intensiveres Training.
In der Regel ist es zu empfehlen zwei- bis dreimal in der Woche deine Faszien in Angriff zu nehmen. Solltest du allerdings akute Probleme wie Verspannungen haben, kann auch ein tägliches Training sehr wohltuend sein.
Schmerzen nach dem Faszientraining: Normal oder schädlich?
Laut dem Faszien-Experten Dr. Robert Schleip sollte Muskelkater eigentlich „Faszien-Kater“ heißen. Ganz einig ist man sich aber noch nicht darüber, ob die Mikroverletzungen nun doch im Muskel selber liegen und die Faszien dabei eher als Schmerz-Alarmisten reagieren.
Grundsätzlich ist es empfohlen, den Grad des Schmerzes beim Faszientraining im Auge zu behalten. Denn ein gewisser – und oft sogar wohltuender – Schmerz, entsteht fast immer bei intensiverem Faszientraining an verspanntem Gewebe. Allerdings solltest du es auch nicht übertreiben.
Faszientraining Kritik: Gibt es Nachteile?
Das Meinungsbild vom Faszientraining ist – zugegebenermaßen – vielschichtig. Zwar gibt es mittlerweile einige Studien, die sich klar für das Faszientraining positionieren, manch andere Experten sind jedoch skeptisch, da ein Training recht komplex und auf mehreren Ebenen (Muskeln, Blutgefäßen, etc.) wirkt. Daher folgende Empfehlung, um als Anfänger nicht in die Faszien-Falle zu tappen:
- Gehe nie über deinen Schmerz hinaus. Noch einmal – der Schmerz sollte sich wirklich angenehm anfühlen. Wenn dein Körpergefühl mit einer Übung stoppen möchte, solltest du diesem Gefühl auch nachgehen.
- Faszientraining als Unterstützung sehen. Faszientraining kann sicherlich helfen, um Verspannungen zu lösen. Doch es ist sicherlich kein Allheilmittel. Sport, Bewegung, gute Ernährung, Entspannungstechniken wie Mediation, sowie mentale und emotionale Maßnahmen sind mindestens genauso wichtig. Letztlich sollte natürlich immer die Ursache für die Beschwerden gefunden werden, denn diese entstehen nicht „einfach so“.
5 Übungen und Tipps fürs Faszientraining
Bestenfalls probierst du einfach alle Übungen mal aus und schaust, welche davon dir am besten gefallen.
1. Faszientraining mit der Rolle
Das Faszientraining mit einer Rolle ist wohl der Klassiker beim Faszientraining. Zu Recht – denn mittlerweile gibt es sogar einige Studien, die die Effektivität unterstreichen. Sie erklären, dass durch das Rollen nicht nur Schmerzen gedämpft werden und ein eventueller Muskelkater leichter zu ertragen ist, sondern auch die Durchblutung gefördert wird. 7https://journals.humankinetics.com/view/journals/jsr/28/1/article-p39.xml
Für die Praxis haben wir dir ein praktisches und sofort umsetzbares Video der Faszien-Expertin Gabi Fastner eingefügt. Gute Faszienrollen findest du mittlerweile fast wie Sand am Meer. Die berühmteste Ausführung – die „Blackroll“ – ist durch ihr leichtes Gewicht und ihre erprobte Geschichte natürlich auch zu empfehlen.
2. Die Springübung
Ein wirklich erstklassiges Faszientraining ist das senkrechte nach oben springen. Dies kannst du auf gut federndem Boden machen, aber auch auf einem (Mini-)Trampolin. Durch das Springen werden deine Lymphe und Blutgefäße in Wallung gebracht. Dies soll insbesondere für deine Faszien eine vitalisierende Frische-Kur sein.
Versuche während des Springens für vier bis fünf Minuten deinen ganzen Körper locker zu machen und zu entspannen. Insbesondere gilt das für die Schultern, den Nacken und den Kiefer. Du wirst eventuell merken, wie deine Faszien in eine Art Entspannungsschmerz gehen. Atme dabei einfach tiefer und ruhig in den Bauch, sowie in die schmerzenden Stellen hinein und genieße die Übung.
3. Die Königs-Dehnung
Bei der Königs-Dehnung strebst du zwei Endzustände an: Die Dehnung nach unten sowie die Streckung nach oben. Dabei stehst du hüftbreit, die Knie leicht gebeugt. Nun gehst du mit deinem Oberkörper langsam nach unten und streckst deine Hände bis auf den Boden bzw. so weit du kommst. Du kannst dabei, insofern möglich, auch deine Knie noch weiter durchdrücken.
Diese Dehnung unterstützt deine Faszien in deinen Oberschenkeln, deinen Hüften und deinen Schultern. Bitte achte darauf, dass dein Kiefer entspannt bleibt.
Anschließend verlässt du diese Haltung wieder und streckst dich langsam mit den Armen zum Himmel so weit du kannst. Nimm dann die Hände deiner gestreckten Arme über deinem Kopf mit den jeweiligen Handrücken zusammen. Auch hier wirst du merken wie die Faszien deines Rückens sehr wohltuend gedehnt werden.
4. Rolfing
Das Rolfing ist eine sehr intensive Technik, bei der ein Therapeut eine tiefe Druckmassage an deinem Körper durchführt. Die Technik wurde von Ida Rolf erfunden und soll vor allem dafür geeignet sein, langwierige strukturelle Faszien-Verspannungen nach Unfällen oder Verletzungen wieder ins Lot zu bekommen.
In Deutschland gibt es einige Rolfing-Therapeuten. Sicherlich ist diese Methode nicht für Jedermann geeignet, doch nach vielen Erfahrungsberichten verbirgt sich hier bei stärkeren Verspannungen doch so einiges an Potenzial. Daher kann auch das Rolfing als eine Art Faszientraining infrage kommen.
5. Eine Faszien-freundliche Ernährung
Faszien bestehen zu einem Großteil aus Kollagen. Dieses wird wiederum durch Aminosäuren gebildet, von denen nicht alle vom Körper selbst hergestellt werden können. Besonders wichtig sind daher folgende Punkte:
- Genügend Wasser trinken (Faszien bestehen zu 3/4 aus Wasser)
- L-Lysin: Zu finden in Fisch, Fleisch (gute Qualität) und Hülsenfrüchten
- L-Arginin: Zu finden in vielen Obstsorten sowie in Fisch
- L-Prolin: Zu finden in Geflügel und Hülsenfrüchten
- Vitamin C: für die Kollagensynthese und mehr
- Silizium: dieses Mineral findest du u.a. in relevanten Mengen in Spinat und Süßkartoffeln
Fazit: Faszientraining ist das Schmiermittel deiner Muskeln
Faszien sind die wahren Kapitäne unserer Muskeln. Funktionieren sie gut, funktionieren auch unsere Muskeln, Sehnen und Gelenke gut. Doch mitunter leiden auch unsere Faszien durch äußere und innere Stressoren und verkleben von Zeit zu Zeit. Das beste, was man dagegen tun kann, ist ein Faszientraining, die Eliminierung von Stress und ausreichend Bewegung, abgerundet mit einer Faszien-freundlichen Ernährung.
FAQ: Faszientraining
Faszientraining beinhaltet eine Vielzahl von Übungen, bestehend aus Dehnungen, Selbstmassage-Techniken und speziellen Mikro-Workouts.
Faszientraining erzeugt Erregungsimpulse in deinen Faszien, macht sie dadurch wieder durchlässiger, offener und entspannter. Oft vergehen dadurch Verspannungen oder ähnliche Beschwerden.
Bei normalen Verspannungen empfiehlt es sich zwei – bis dreimal wöchentlich für 20 Minuten.
Einzelnachweise
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